Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Auf dem Papier – oder wenn man so will, der XML-Datei – wirkt die E-Rechnung wie ein Projekt ohne Schattenseiten. Ein Branchen-Insider nennt jedoch auch die problematischen Aspekte.
Grundsätzlich ist es eine gute Idee, die Rechnungsübermittlung auf ein strukturiertes Format zu überführen. Allein schon wegen der deutlichen Effizienzgewinne in der Buchhaltung. Dieser Ansicht ist auch Michael Kaiser, CEO bei Papierkram. Dennoch sieht der CEO derzeit noch einige Probleme in der Umsetzung, die man als Kinderkrankheiten bezeichnen könnte. Kaiser löst solche Probleme bei seinen Kunden, denn Papierkram ist eine cloudbasierte Buchhaltungssoftware für kleine und mittlere Unternehmen mit einem besonderen Fokus auf Angebots- und Rechnungserstellung. Sein Unternehmen bietet das E-Rechnungs-kompatible ZUGFeRD-Format bereits seit 2019 an, um den Kunden die Einreichung von strukturierten Rechnungen bei öffentlichen Auftraggebern zu ermöglichen.
Eine Frage des Formats
Michael Kaiser, CEO, Papierkram(Bild: Papierkram)
Michael Kaiser, CEO, Papierkram
(Bild: Papierkram)
Formate – damit ist der erste Knackpunkt bereits angesprochen. „Viele Unsicherheiten bringt zum Beispiel die ungeklärte oder zumindest schlecht erklärte Rolle des sogenannten XRechnung-Standards mit sich“, sagt Kaiser. Die Format-Vielfalt an sich sei kritisch zu betrachten, denn da gebe es so viele verschiedene Standards, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten. Zudem hapere es bei der Validierung. „Viele eigentlich korrekte Rechnungen werden abgelehnt, weil die Standards für Behörden nicht zur deutschen Unternehmens-Praxis passen“, berichtet der CEO aus der Praxis.
Ein weiteres Thema sei die Manipulationsgefahr. „Viele unserer Kunden haben Bedenken, wie sicher E-Rechnungen überhaupt sind, denn XML-Rechnungen sind viel zu leicht zu manipulieren“, sagt Kaiser.
Hintergrund
XRechnung, ZUGFeRD, XML
Gerangel um Formate
ZUGFeRD und XRechnung sind XML-basierte Formate, die laut EN16931 eine E-Rechnung darstellen. Beide Formate liefern eine maschinenlesbare XML-Datei und sind damit geeignet für die automatisierte Verarbeitung von Rechnungen. Dabei hält ZUGFeRD im Vergleich zu XRechnungen insofern einen Vorteil für den menschlichen Nutzer als, dass hier softwareseitig eine visualisierbare Bilddatei integriert ist.
- Das Problem bei mehreren Formaten: Etliche Unternehmen wollen in der Praxis nur ZUGFeRD-Dateien empfangen, um den optischen Teil zu nutzen. Das ist aber nicht sinnvoll bei gegebener Formatvielfalt im Rahmen der EU-Norm.
- Mitunter wird auf Länder wie Italien oder Polen verwiesen, die eine andere Regelung getroffen haben, nämlich dahingehend dass eine konforme XML-Datei zum alleinigen Rechnungsformat erklärt wurde.
- Hierzulande hat sich XRechnung für die Rechnungsstellung im öffentlichen Sektor etabliert. Dieses ist für die automatisierte Verarbeitung konzipiert, kann aber ohne spezielle Software nicht gelesen werden.
- ZUGFeRD ist hingegen ist als hybrides Format zu betrachten, welches ein lesbares PDF mit eingebetteten XML-Daten kombiniert und damit vielseitig einsetzbar ist.
Brisante offene Fragen
Besonders brisant sei folgendes: Der XRechnung-Standard wird als verpflichtend für den Austausch elektronischer Rechnungen bezeichnet, andererseits gehen seine Pflichtangaben – wie die Telefonnummer des Ausstellers oder die E-Mail-Adresse des Empfängers deutlich über die Anforderungen des §14 UStG hinaus. „Im B2B-Bereich sind einige dieser Angaben, wie die Leitweg-ID, sogar gar nicht erfüllbar“, so der Manager.
Die oben genannte Format-Vielfalt gehe auch mit Problemen einher: „Statt sich auf ein einfaches XML-Format zu einigen, gibt es ein babylonisches Wirrwarr aus UBL, UN/CEFACT CII und Hybrid-Formaten wie ZUGFeRD oder Factur-X. Das macht die Verarbeitung aufwendig und erhöht die Fehleranfälligkeit.“
Die Detailprobleme bei der Validierung liegen beispielsweise in der zeilenweisen Berechnung der Umsatzsteuer, die in Deutschland üblich und vom BMF erlaubt ist. Sie ist jedoch oft nicht standardkonform, was dazu führe, dass viele eigentlich korrekte Rechnungen abgelehnt werden.
Unsicherheiten beim Thema Manipulation
Sehr brisant sei auch die Manipulationsunsicherheit: Während man für die Manipulation von PDFs oder Papierrechnungen schon etwas Aufwand betreiben müsse, würden bei XML-Rechnungen bereits ein Texteditor und ein Taschenrechner reichen. Hier wäre eine einfache, kostengünstige Signaturlösung wünschenswert. „Am Zertifikat für den Login im Elster-Portal sieht man ja, dass sowas durchaus auch in der Breite möglich ist“, weiß Kaiser.
Statt sich auf ein möglichst einfaches XML-Format verbindlich zu einigen, gibt es ein babylonisches Format-Wirrwarr.
Michael Kaiser, CEO, Papierkram
Wurde die Zeit zu knapp?
Insgesamt hat man bei Papierkram das Gefühl, dass bei der Entstehung des E-Rechnung immer wieder – vielleicht um Zeit zu sparen – auf bereits bestehende Standards zurückgegriffen wurde. „So wurden UBL und UN/CEFACT im Jahr 2017 ohne größere öffentliche Beteiligung zum Standard EN 16931 erhoben“, blickt der Manager zurück. Das scheint eine klassische „Design-by-Committee“-Entscheidung gewesen zu sein. „Man konnte sich nicht auf ein Format einigen, also nimmt man einfach beide“, sagt der Manager kritisch. Dann sei dieser Standard mit entsprechenden Erweiterungen als Standard für Rechnungen an öffentliche Auftraggeber definiert worden, wo hohe bürokratische Anforderungen letztlich eingepreist werden können. „Doch dann dieses Format ohne zumindest deutlich Entschlackung als Standard für bald alle Rechnungen zu erheben, die zwischen Unternehmen in Deutschland/der EU verschickt werden, war aus meiner Sicht keine gute Idee und wird auf Grund der vielen Implementierungsdetails vermutlich zu vielen Kompatibilitätsproblemen zwischen Rechnungssteller und -empfänger führen“, fasst Kaiser zusammen. Man könne jetzt schon beobachten, dass viele – inhaltlich eigentlich richtige – E-Rechnungen von Empfängern abgelehnt werden, weil diese auf den Validator verschiedener Bundesländer zurückgreifen, die wiederum im Hintergrund den Validator des deutschen Standard-Gremiums KOSIT aufbauen, führt der Papierkram-Chef aus. Dieser stelle aber eben Anforderungen an die Rechnung (beispielsweise eine Leitweg-ID), die im B2B-Bereich überflüssig sind.
Was wäre besser gewesen?
„Stattdessen könnte ein möglichst einfach aufgebautes XML-Format definiert werden, das im Zweifelsfall durch einen relativ simplen Mechanismus wie optionale Schlüssel-Wert-Paare, erweitert wird“, sagt Kaiser.
Hintergrund
E-Rechnungspflicht im B2B-Segment
Eckdaten, Fristen und Begriffe
- 2025: Seit Jahreswechsel müssen alle Unternehmen in Deutschland in der Lage sein, elektronische B2B-Rechnungen zu empfangen und dürfen zudem den Empfang der digitalen Rechnungen nicht mehr ablehnen.
- Ausnahme: Keine Regel ohne Ausnahme: Es ist zwar weiterhin möglich, Rechnungen im PDF-Format zu versenden, aber nur unter der Voraussetzung, dass das empfangene Unternehmen dieser Praxis zustimmt. Die gleiche Regelung gilt auch für das EDIFACT-Format.
- 2027: Zwei Jahre später – 2027 – wird Stufe 2 zünden. Dann müssen Unternehmen mit mehr als 800.000 Euro Umsatz B2B-Rechnungen elektronisch ausstellen.
- 2028: Die Papierrechnung wird im B2B-Bereich ab 2028 endgültig Geschichte. Ab dann müssen alle in Deutschland agierenden Unternehmen elektronische B2B-Rechnungen im EN-16931-Standard versenden.
- Zur Begriffsklärung: Die EN 16931 ist eine europäische Norm hinter Formaten wie XRechnung und ZUGFeRD. Hinter der Namensgebung des Formats ZUGFeRD steht das Akronym für „Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland“.
Weiterhin hätte die technische Infrastruktur deutlich verbessert werden müssen, findet der Papierkram-Chef. „Der offizielle Validator des deutschen Standardgremiums KOSIT, der von sehr vielen Unternehmen verwendet wird, gibt leider nur sehr schwer interpretierbare Fehlermeldungen. Und das größtenteils in schlechtem Englisch.“ Hier wäre eine saubere Lokalisierung und Differenzierung zwischen B2G- und B2B-Rechnungen wünschenswert gewesen.
Bericht aus der Praxis
„In unserem Support erreichen uns täglich Nachrichten von Nutzern, die nicht verstehen, warum ihre Rechnungen von anderen Unternehmen abgelehnt werden“, so Kaiser. Der Grund dafür sei oft, dass die Leitweg-ID fehlt, obwohl diese eben überhaupt nicht nötig wäre. Auch dass manche Unternehmen oder Behörden Felder wie die Auftragsnummer zu Pflichtfeldern erklären und das Fehlen dieser mit uneindeutigen Fehlermeldungen quittieren, komme regelmäßig vor. Das sorgt für Verunsicherung und Frust bei den Nutzern.
Ungeklärte Aspekte
Aus der Sicht des Praktikers Kaiser wäre es zunächst wichtig, den XRechnungs-Standard in zwei Niveaus zu unterteilen. „Einmal in einen flexibleren B2B- und einen strengeren B2G-Standard. Das würde die Verwirrung etwas reduzieren.“ Zunächst sollte die bereits beschriebene Infrastruktur für eine zuverlässige Validierung von B2B-Rechnungen geschaffen werden. Darüber hinaus ist aus seiner Sicht eine unbürokratische Möglichkeit zur Signierung von Rechnungen eine sinnvolle Ergänzung: „Bei Papierkram arbeiten wir tatsächlich derzeit bereits an Lösungen für beide Probleme. Für den Markt wäre es sinnvoll, wenn hier eine zentrale Lösung auf Bundesebene bereitgestellt wird.“
Praxisprobleme waren vorhersehbar
Insgesamt resümiert der Manager, „dass der von der EU gewählte Ansatz für die E-Rechnungen sicherlich einiges Potenzial birgt, man aber auch einen recht hohen technischen Anspruch an die Nutzer stellt und das wird auf absehbare Zeit sicher noch für einige Probleme sorgen“.